Der 25. März 1945 bleibt dem letzten Augenzeugen, dem 90-jährigen Heinz Wagner aus Katzenelnbogen – auch genannt der „Flecken“ -, in unvergessener Erinnerung. Heinz Wagner betrieb bis vor wenigen Jahren in der Aarstraße in Katzenelnbogen zusammen mit seiner Ehefrau ein Haushaltswarengeschäft. Sein Freund Eckehard Schmidt, mit dem er am 25. März unterwegs war, praktizierte nach seinem Studium als Zahnarzt bis zu seinem Tod in Katzenelnbogen. Beide Kinder waren damals etwa um 13.30 Uhr im Bereich des früheren Hotel Bremser (heute Nassauische Sparkasse)/Bäckerei Zorn unterwegs, als sie alliierte Jagdbomber (Jabos) hörten. Diese waren berüchtigt dafür, dass sie im Tiefflug mit Maschinengewehren auf alles schossen, was sich bewegte.
Beide 10-jährigen Jungen liefen unverzüglich in die nahegelegene Stiftstraße. „Bröckelnder Putz flog uns schon um Ohren“, erinnert sich Heinz Wagner. Sein Freund Eckehard Schmidt flüchtete sofort ins Wohnhaus der Familie Zorn. Heinz Wagner lief weiter zum nächsten Haus, zu seinem Schulkameraden Karl Heuser. Der saß mit seiner Großmutter bereits zitternd vor dem Schuhschrank unter der Haustreppe. Die Mutter von Karl Heuser, Anna, war im Hof, als die Jabos zu hören waren. Sie flüchtete auf das Plumpsklo im nahen Schuppen, wo sie das Ende des Angriffs abwarteten musste.
Schon Tage vorher wurden Aufklärungsflugzeuge (ähnlich der Marke Fieseler Storch) der Alliierten über dem Flecken von deutschen Einheiten aus der Nähe des Katzenelnbogener Schlosses beschossen. So war es auch nicht verwunderlich, dass dort eine Bombe abgeworfen wurde. Diese beschädigte jedoch das Haus von Ferdinand Biehl auf dem Römerberg schwer, nicht das Schloss. Zwei Frauen wurden dabei getötet.
Auch mitten in Katzenelnbogen wurden durch Schüsse der Jabos Schaden angerichtet. Richard Steup war in der Bahnhofstraße mit seiner Tochter unterwegs, als der Angriff kam. Er warf sich über seine Tochter, um diese zu schützen, und wurde selbst an den Beinen getroffen. Am Eckhaus der ehemaligen Nassauischen Sparkasse an der Bahnhofstraße/ Aarstraße (später entstand dort ein Blumengeschäft) wurden die gewölbten Scheiben der Auslage zerstört.
Willi Zorn war oberhalb des ehemaligen Amtsgerichts (zuletzt Verwaltungsgebäude der Verbandsgemeindeverwaltung) mit der Frühjahrsaussaat beschäftigt, als er die Flugzeuge bemerkte. Er geriet unter Beschuss, konnte sich aber in einem Graben in Sicherheit bringen. Allerdings beschädigten die Geschosse das angrenzende Wohnhaus von Oskar Bernhard in der Parkstraße schwer. Das Dachgeschoss brannte aus.
Nur zwei Tage später griffen die Amerikaner die Stadt Katzenelnbogen erneut an. Mehrere Häuser mitten im Flecken wurden sehr stark beschädigt. Die amerikanischen Streitkräfte erwarteten großen Widerstand. An der Mohrmühle ausgangs der Stadt in Richtung Mittelfischbach befand sich eine deutsche Kampfgruppe, die Richtung „Dicke Buche“ schoss und selbst unter Beschuss geriet, was sechs Soldaten das Leben kostete. Um 13.30 Uhr am 27. März 1945 war der Ort unter amerikanischer Kontrolle. Im Zentrum, rund um das Hotel Bremser, mussten viele Bürger ihre Häuser verlassen, und kamen für einige Tage bei Verwandten unter. sie durften lediglich zur Versorgung des Viehbestandes morgens und abends ihre Grundstücke betreten.
Am 8. Mai 1945, dem Tag der totalen Kapitulation, wurde Heinz Wagner 11 Jahre alt, in diesem Jahr, an diesem denkwürdigen Tag, vollendet er sein 91. Lebensjahr.
Uschi Weidner/Gerhard Zorn